Markus Brenner
„Vielleicht muss man ja lustvoll die Oberfläche feiern, um etwas über die Tiefe zu erfahren?“
Rosa Brille fürs Einkaufszentrum
White Cube, Blackbox und Pipi in Hellblau: Markus Brenner versetzt Konsumtempel in Farbrausch
In den Fahrstuhl steigen, den Knopf drücken – und von Farbe überflutet werden: Das geht vom 5. März an im Konstanzer "Lago". Für zweieinhalb Wochen verwandelt der Konstanzer Künstler Markus Brenner das Einkaufszentrum "Lago" zur Kunstmeile. Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Licht-, Video- und Installationskünstler hat auf drei Etagen fast alle Werbung unsichtbar gemacht, durch 400 Quadratmeter Farbfolie, 270 Quadratmeter Stoff, Lichtpausen und leistungsfähige High-Tech-Strahler ersetzt. Das Ergebnis: ein großer Kunsterlebnisraum in ungewohntem Kontext, weit weg von Museumsschweigen und "Nicht-Berühren"-Schildern. So haben die Konstanzer das Einkaufszentrum an der Bodanstraße noch nie gesehen.
Fünf Installationen insgesamt gibt es: Einen Farb-Fahrstuhl, zwei Farbschleusen – eine limonengrün, eine rosa –, die man gleich am Eingang durchquert und die, im Rhythmus der Schiebetür, Tageslicht einlassen, aussperren. "Als würde man eine große Brille auf- und wieder absetzen", sagt Brenner. In einer Blackbox – Arbeit Nummer drei – werden (teils schon bekannte) Videoarbeiten des Künstlers gezeigt. Und eine Farbinstallation findet, wer muss – rosa hier, hellblau da –, auf den "Lago"-Toiletten.
Einen Lichtschacht hat der Künstler völlig verkleidet, das ist die fünfte und größte Arbeit im "Lago". Hier hat Brenner Stoff über drei Etagen gespannt, weißen Boden ausgelegt und so einen White Cube geschaffen: einen dieser weißen Kunsträume, die alles eliminieren, was stören könnte. Darüber ein Dach aus Farbfolienbahnen, durch die hindurch Filmscheinwerfer den Raum in Stimmungen tauchen; von Grau zu Dunkellila, zu Azurblau, zu Pink.
"Alles ist wirklich", sagt Markus Brenner dazu. "Die Wirklichkeit schließlich ist nur eine Frage der Brille, mit der wir sie betrachten." Die sei manchmal grau. "Grau ist stumm, aber leicht erregbar zu herrlichen Tönen". Das hat der Schweizer Kunsttheoretiker Johannes Itten einst gesagt, und Brenner beweist es im "Lago": Es gibt delikates farbiges Grau an der Schwelle zum Rosa.
Der 45-Jährige, der in Konstanz lebt und arbeitet, war an der Expo 02 beteiligt, blickt auf zahlreiche internationale Ausstellungen zurück. Mit Licht-Installationen zum Seenachtsfest und seinen "Fischen in Badekleidern" fand Markus Brenner auch außerhalb der Kunstszene viel Beachtung. Dass sich ein Künstler wie er in ein Einkaufszentrum wagt, ist ungewöhnlich. Brenners Bedingungen dafür waren: keine Logos, Plakate, Wäscheständer in Reichweite der Kunst. Schaufenster mussten abgeklebt werden und Folien, Stoffen, Lampen weichen.