Markus Brenner

„Vielleicht muss man ja lustvoll die Oberfläche feiern, um etwas über die Tiefe zu erfahren?“

Fragile Weapon

Kriege und multiple Krisen haben die Welt und Glaubenssätze ins Wanken gebracht. Rüstungsbetriebe, hierzulande vor kurzem noch im gesellschaftlichen Abseits, dürfen sich in neuem Ansehen sonnen, sind Hoffnungsträger und Börsengewinnler: Allein ausreichend Waffen versprechen vielen nun etwa das Ende des Krieges in der Ukraine, den Schutz des Staates Israels, die Freiheit Taiwans. Marschflugkörper als Retter der demokratischen Welt.

Der Künstler Markus Brenner, Jahrgang 1963, hat eine Form für die Zerbrechlichkeit des Friedens, aber auch unserer Einstellungen gefunden – seine Cruise-Missiles-Raketen sind aus Porzellan und Glas. Sichtbar fragil sind diese zart mit goldenen Symbolen des Friedens verzierten Waffen, die nur ein Ziel haben: zu töten. Indem sie dies tun, sollen sie weiteres Töten verhindern. Zur Identifizierung werden Marschflugkörper stets mit Typen-Bezeichnungen versehen.

Lenkflugkörper zur Bekämpfung feindlicher Radaranlagen etwa tragen, als Advanced Guided Missiles, die Aufschrift AGM – 88 E. In diesem Sinne beschriftet auch Markus Brenner seine Waffen, allerdings hier mit heiligen Zahlen und einer chiffrierten Hoffnung auf Frieden: WWP – 3 99 8. WWP für world wide peace, die Drei ist die sakrale Zahl der christlichen Welt (Dreifaltigkeit), die 99 die der arabischen Welt, und die Acht heilig der Chinesischen Philosophie. Möge es helfen!

Formal höchst zeitgemäß steht die Zerbrechlichkeit von Brenners Arbeiten für die Zerbrechlichkeit einer Zukunft in Frieden. Ästhetisch überformt symbolisieren diese „Fragile Weapons“ die Grausamkeit der Logik unserer Tage, das Dilemma, in dem sich die Welt heute befindet, und das Paradoxon, in dem wir stecken: Waffen für den Frieden!

Je nach Ausführung und Reichweite kosten Marschflugkörper und andere „richtige“ Waffen derzeit zwischen 500 000 und einer Million Euro. Brenners Raketen, deutlich erschwinglicher, töten nicht – regen aber zur Auseinandersetzung an und stiften womöglich auf ihre Weise Frieden. Wer weiß.

Nie belehren, aber fragen und stets mit Absurditäten spielen: Der Installations-, Foto- und Videokünstler ist bekannt für seine hintersinnigen Arbeiten, deren ästhetischer Reiz oft Hand in Hand geht mit dem ihm eigenen Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse und Fragen unserer Zeit.

Judith Borowski