Markus Brenner

„Vielleicht muss man ja lustvoll die Oberfläche feiern, um etwas über die Tiefe zu erfahren?“

Chlor-„frei schwimmen“

Wasser und das Thema Mensch und Tier haben in der Kunst Hochkonjunktur. Die Videomacher eignen sich dabei gut als die die neuen Geschichtenerzähler und zugleich Grenzgänger, die bewusst Grenzverstöße begehen.

Einer dieser Grenzgänger ist der in Konstanz lebende Markus Brenner, Jahrgang 1963. Er ist als Videokünstler ein leidenschaftlicher Liebhaber alles Fließenden. Nicht nur als Schwimmer und Windsurfer, sondern vor allem mit seinen Kunstprojekten setzt er sich dem Element Wasser aus.

Jetzt folgt mit der Videoinstallation "Chlor – frei schwimmen" im Kunstraum Kreuzlingen eine erneute intensive Hinwendung zum Thema Wasser. Dabei entpuppt sich Markus Brenner als Fischer der besonderen Art, denn sein reicher Fischzug ist so groß, dass die Netze zu reißen drohen. Auf der ersten Videoprojektion tragen Lachsforellen maßgeschneiderte Badeanzüge mit Logos von Markenfirmen wie Speedo, Adidas und Arena.

Auf einer zweiten Projektion macht sich der Künstler zum Menschenfischer, indem er die Körper der Kreuzlinger Wasserballer kopfunter in Szene setzt. Deren Köpfe und Spiel über dem Wasserspiegel bleibt unsichtbar. Die Unterkörper der Sportler bewegen sich wie die Tentakel von riesigen Tintenfischen. Eine ältere Besucherin staunt über die Animalität der Menschen und fragt besorgt:"Um Gottes Willen, wann holen die Herren endlich Luft?"

Das tolle Treiben der quasi nackten Wassersportler wirkt wie ein zauberhaftes Traumgespinst, wie eine männliche Hysterie. Der Leistungssport entpuppt sich so gesehen als zugleich poetisch und absurd anmutendes Spiel. Die beiden Loop-Szenen der Unterwasserfilme bilden einen Dialog, ein Konversationsstück. Mehr noch: hier treffen Bilder aus der Nahkampfzone auf den Kult um Markenfirmen, deren Produktion oft auf Kinderarbeit, Umweltzerstörung und Tierquälerei basiert.

Indem die Tiere modisch und die Menschen Tierisch erscheinen, plädiert Brenner nicht für eine scharfe Trennung zwischen Kultur und Natur, sondern für eine weichen Übergang zwischen Mensch und Tier. Statt einer Abgrenzung vom Tier kommt es zu einer brüderlichen Identifikation: Wer bist Du, und wer bin ich? In der "Neuen Zürcher Zeitung" heißt es treffend: "Die Unterscheidung von Natur und Künstlichkeit wird hier gekonnt inszeniert, hinterfragt und ad absurdum geführt."

"Das Prinzip aller Dinge ist das Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt alles zurück", so der weise Thales von Milet. Die Farbe, die mit dem Wasser verbunden ist, ist Balu. Die Jahreszeit des Wassers ist der Winter. Das Klima ist die Kälte. Das Gefühl ist die Angst. Der stimmhafte Ausdruck ist das Stöhnen. Der Geruch ist faulig. Im Fall der Kreuzlinger Videoinstallation von Markus Brenner ist der Geruch des Wassers mit dem Chlor des Hallenbads verbunden. Der zu den gefilmten Körpern choreografierte Klang vereint Walfischgesänge mit dem Lied "An der schönen blauen Donau".

Die Ausstellungsbesucher werden im Eingangsbereich in blaues Licht getüncht und Ihre Parfums vom penetranten Chlorgeruch neutralisiert. Die Chlor-Schleuse steht, wie der Künstler sagt, für ein doppeltes Reinigungsritual: "Keime abtöten für eine hygienische Welt und Keime abtöten für ein neues Wahrnehmen."

Die Videoinstallation von Markus Brenner sowie die in einer White Box gezeigten Fotos von Fischen in maßgeschneiderten Badeanzügen stehen weder für Probaganda noch für Provokation. Er sieht sich weder als Ökofreak noch als Moralapostel. Was passiert jedoch wenn Tierschützer aufschreien? Gerät dann der Künstler selbst unter Anklage? Wo beginnt bzw. endet die künstlerische Freiheit im Umgang mit toten Tieren?

Uns fehlt die Sprache für die Tragödien und Risiken des Lebens. Daher verwundert es nicht, dass Brenner über die Forellen, die im Chlorwasser des Hallenbads sofort sterben würden, weil die Kiemen verätzen, mit einer gewissen Leichtigkeit spricht: "Die Fische schweben wie Raumschiffe. Es ist ihr letzter Flug ins Jenseits. Den Badeanzug nehmen sie mit: Ein Label fürs Leben, ein Label für den Tod."

Der aufklärerische Anspruch dahinter: Wenn wir verstehen, wie unser Sehen geprägt ist, schauen wir anders. In der Tat: Wir schauen einer Lachsforelle ins Auge, plötzlich erblicken wir durch Fischaugen uns selbst.

"Und so wird man in der ganzen Ausstellung, die mit wenigen, aber gelungenen Werken überzeugt, in ein virtuelles Nass versetzt", urteilt die "NZZ" zu Recht. In der boomenden Videokunst sticht Brenner hervor, weil er nicht die Filmgeschichte ausschlachtet, sondern eine eigene Ästhetik entwickelt, welche Störungen in der Betrachtungsroutine verursacht. Zu entdecken ist ein Videopoet des Wassers und von "sophisticated animals".